DIE EIGENSCHAFTEN DER ORGANE

„Da gibt es die Vorgaben von Himmel und Erde sowie die Ursachen von Wandel, die nur von dem Weisen Kaiser nachvollzogen werden können, der auch die Höchsten Grundlagen der Dinge fassen kann.” (Nei Jing Su Wen, Kap. 71)
„Zang-Organe können groß oder klein, hoch oder niedrig, verfestigt oder frisch/weich sein, aufwärts gerichtet oder schräg; die Sechs Fu-Organe können entweder groß oder klein, lang oder kurz, dick oder dünn, gewunden oder gerade gerichtet sein, entspannt oder angespannt. Dies sind die fünfundzwanzig Veränderungen als gute oder schlechte Eigenschaften und machen damit auch Aussagen über gute oder schlechte Prognosen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 47 S)

Ein kleines Organ übt eine geringe Wirkung im Gewebebereich im Vergleich zu der Wirkung anderer Organe und im Bezug zu der Rückwirkung vom Gewebebereich ist eher dem Einfluss der Essenz als der Perversen Energien unterworfen. Die steuernde Wirkung der Perversen Energien ist insignifikant im Vergleich zur Steuerung der Essenz. Die Wirkung eines großen Organs dominiert über die Wirkung anderer Organe (Abb. 1).

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Abb. 1: Harmonische Funktion

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Abb.2: Milz-Dominanz und Herz-Dominanz

Die Wirkung im Gewebebereich ist stärker dem Einfluss der Perversen Energien unterworfen und die Rückwirkung wird effektiver werden. Deswegen wird das Organ anfälliger. „Die kleinen Organe sind für innere Aggressionen (Shen-Faktoren) aber nicht für äußere Aggressionen (Perverse Energien) anfällig. Die großen Organe sind nicht für innere Aggressionen aber für äußere Aggressionen anfällig.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 47 C)

Die Wirkung im höheren Bereich wird in Richtung Energie orientiert und die Wirkung im tieferen Bereich wird in Richtung Materie orientiert (Abb.3).

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Abb. 3: Die Organsituierung: hoch/höher oder niedrig/tiefer

Die Wirkung im höheren Bereich hat als Folge mehr Energieproduktion und impliziert im Gewebebereich einen dominierenden katabolen Zustand. So werden Abweichungen der Organfunktion energetische Störungen verursachen. Die energetischen Störungen führen zu energetischen Symptomen, die nicht sichtbar/wahrnehmbar und nur vom Patienten spürbar/wahrnehmbar sind. Die Wirkung im tieferen Bereich hat als Folge mehr Materieproduktion/Materiesynthese und impliziert im Gewebebereich einen dominierenden anabolen Zustand. So werden Abweichungen der Organfunktion materielle Störungen, Strukturstörungen verursachen. „Die höher situierten Organe bilden eher energetische Leiden, die tiefer situierten Organe bilden eher materielle/körperliche Leiden.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 47 C)
Die Funktion der Organe, eigentlich die Energie der Organe, befindet sich auch in den Meridianen bzw. fließt in den Punkten der Meridiane ein, weil die Energie der Organe  die Punkte der Meridiane „nährt“. Das Einfließen dieser Energie wird von den Shū und Yíng Punkten gesteuert (Hauptmeridianpunkt Teil). Das Einfließen der Gewebe-Energie (die Rückmeldung von der Steuerung der Gewebe-Funktion) erfolgt über die Tendinomuskulär-Punkte. Die Tendinomuskulär-Punkte reagieren nach dem Funktionszustand, der vom Luò-System bestimmt wird. So kann die Organ-Energie die Steuerungsfunktion der Gewebe durchführen. Die Steuerung ist ähnlich des Rückschlags/Rückpralls zu betrachten. Wenn die Organ-Energie fest ist, wird der Rückprall stark und prompt sein. Wenn die Organ-Energie schwach ist, wird der Rückprall schwach sein. Somit wird dieser Zustand die Steuerung beeinträchtigen, bzw. die Funktion des Meridians und der Meridianpunkte mit seinen beiden Teilen Oberfläche/Tendinomuskulär-System und Tiefe/Luò-System. Die Veränderung der Energie kann klein oder gros, fest/stark oder schwach sein (Abb. 4, 5).

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Abb. 4: Kleine und große Wirkung der Meridianenergie

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Abb. 5: Feste und schwache Wirkung der Meridianenergie

Die Funktion der Meridiane ist von der Lage auf der rechten oder linken Seite des Körpers unterschiedlich. Die Ergebnisse der Steuerung der Meridiane der rechten Seite verändert die Funktion, die im Katabolismus-Bereich und die der Meridiane der linken Seite verändern die Funktion die in Anabolismus Bereich (Abb. 6).

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Abb. 6: Katabole und anabole Wirkung der Hauptmeridianenergie

Jedes Organ steht unter dem Einfluss aller anderen Organe. Somit wird ein hyperintegriertes System geschaffen. Alle Organe sind miteinander in einer gegenseitigen Wechselbeziehung verbunden (Abb. 7).

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Abb. 7: Die Wechselbeziehung in den 5 Wandlungsphasen

Wenn alle Organe harmonisieren, ist die Funktion der Organe harmonisch, „symmetrisch“ gebaut. Die Störung eines Organs (oder mehrerer) führt zu einer „asymmetrischen“ („schrägen“) Wirkung des Organs und stört die harmonische Funktion der Organe (Abb. 8).

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Abb. 8: Leber-Dominanz führt zu asymmetrischer Funktion der Milz

Die asymmetrische Funktion/Wirkung eines Organs könnte mit dem Beispiel eines Flugzeugs mit einem Triebwerkschaden anschaulicher dargestellt werden (Abb. 9).

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Abb. 9: Das Flugzeug hält die Richtung aber ist in schiefe/schräge Lage

„Ob Zang- und Fu-Organe nun dick oder dünn, in gutem oder schlechtem Zustand sind,kann mit Bezug auf ihre äußere Beschaffenheit festgestellt werden. Dazu muss man nur die äußeren Entsprechungsbereiche dieser Organe beobachten, um ihre Erkrankungen zu erkennen.“  (Nei Jing Ling Shu, Kap. 47 N)
„Die Lunge ist mit dem Dickdarm verbunden. Der Dickdarm und die Lunge entsprechen der Haut.
Das Herz ist mit dem Dünndarm verbunden. Der Dünndarm und das Herz entsprechen den Gefäßen.
Die Milz ist mit dem Magen verbunden. Der Magen und die Milz entsprechen dem Fleisch.
Die Leber ist mit der Gallenblase verbunden. Die Gallenblase und die Leber entsprechen den Muskeln und den Sehnen. (Die Leber entsprich den Nägeln.)
Die Niere ist mit dem 3 Erwärmer und der Blase verbunden. Der 3 Erwärmer, die Blase und die Niere entsprechen dem Schweiß-System, dem Haare-System und dem Knochen.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 47 N)
„Die Lunge, die innen mit dem Dickdarm in Verbindung steht, ist nach außen von der Epidermis repräsentiert.
Das Herz, das innen mit dem Dünndarm in Verbindung steht, ist nach außen von den Arterien repräsentiert.
Die Leber, die innen mit der Gallenblase in Verbindung steht, ist nach außen von den Muskeln repräsentiert.
Die Milz, die innen mit dem Magen in Verbindung steht, ist nach außen vom Fleisch repräsentiert.
Die Niere, die innen mit der Blase in Verbindung steht, ist nach außen von den Flaumhaaren und Haare repräsentiert.
Die Leber ist nach außen gleichzeitig von den Nägeln repräsentiert.“ (Nei Jing Ling Shu, Kap. 47 C)
Die Entsprechungen dieser Zitate beziehen sich nicht auf die anatomischen Bereiche des Körpers sondern auf die energetischen Teile des Akupunkturpunktes (Abb. 10)

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Abb. 10: Die Teile des Akupunkturpunktes

In eine anderen Passage der Übersetzung von Nguyen Van Nghi steht, dass die Lunge, das Herz und die Niere der Haut entsprechen, die Milz dem Fleisch und in diesem Zusammenhang sind besondere Eigenschaften beschrieben.
„Die Dicke und Dünne, die Schönheit und Unschönheit äußern sich immer durch eine besondere Form.“ ( Nei Jing Ling Shu, Kap. 47 N)
In diesem Kontext ist festzuhalten, dass feste und/oder trockene Haut energetische Fülle und weiche und/oder feuchte Haut energetische Leere bedeutet. Weiche Gewebe bedeutet energetische Leere, harte Gewebe (z.B. Inflammation-Tumor) bedeutet energetische Fülle. Dicke hypodermale Schicht bedeutet wenig Energie und dünne hypodermale Schicht bedeutet mehr Energie. Aufgedunsene Gewebe bedeutet wenig Energie (Abb. 11) und schlanke Gewebe bedeutet mehr Energie (Abb. 12).

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Abb. 11: Aufgedunsene Gewebe allgemein besonders im Mi- und Gb-Meridian Bereich

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Abb. 12: Schlanke Gewebe

Glatte Nägel bedeuten eine gute Leberfunktion, raue Nägel bedeuten eine schlechte Leberfunktion. Die Leber kontrolliert die Gewebefunktion.

Energetische Diagnose und Therapie
Für die Funktion der Organe werden die Alarmpunkte des Organs untersucht.
Für die Funktion der Meridiane (Hauptmeridiane) werden die Shū Punkte/Quell-Punkte untersucht.
Für das Katabolismus/Anabolismus-Gleichgewicht werden die Alarmpunkte und Shū-Punkte/Quell-Punkte symmetrisch (links/rechts) untersucht.
Für die geradläufige/schrägläufige Funktionslage der Organe werden die Alarmpunkte aller Organe untersucht. Schmerzhaftigkeit, erhöhte Depressibilität, geminderter Turgor deuten auf eine Störung hin.
Die gestörten Punkte werden behandelt. Die Behandlung erfolgt nach der allgemeinen Regel: Sedieren bei Fülle oder Tonisieren bei Leere. Die Fülle oder Leere kann nur beim Stechen festgestellt werden.

Literatur:
Huang Di Nei Jing – Übersetzungen von: Chamfrault A. (C), Nguyen Van Nghi (N) und
Schmidt W.G.A. (S)

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